Die Viosa wird in der Kanu-Szene als Geheimtipp gehandelt. Ist es doch angeblich der letzte europäische Fluss, der völlig ohne Verbauung auf 180 km durch Albanien fließt. Im Oberlauf Wildwasser mit einigen Gebirgsdurchbrüchen, im Unterlauf verzweigt er sich in dem naturbelassenen Flussbett oft in viele Arme.
Anfang Juni 2022 erreichen wir von Griechenland kommend die Grenze. Hier werden wir erstmal jäh gestoppt, da die grüne Versicherungskarte abgelaufen ist. Das Auto darf nicht einreisen, nur die Personen. Da der Fluss direkt neben der Zollstation verläuft, entschließen wir uns kurzerhand, hier die Gepäckfahrt zu beginnen und die Autos beim Zoll stehen zu lassen.
Ursprünglich wollten wir diesen obersten Abschnitt mit unseren Gummicanadiern ohne Gepäck paddeln, da die Schwierigkeiten immer wieder den 3. Grad erreichen. 2 Stunden später sind wir bei idealen Wasserständen und heißen Temperaturen auf der Viosa. Im Nachhinein bin ich dem Zöllner dankbar, dass er uns die Entscheidung abgenommen hat und wir unser Abenteuer sofort beginnen durften.
8 spannende Tage liegen vor uns …
Die ersten drei Tage sind es die vielen Stromschnellen und Prallwände, die unsere Aufmerksamkeit erfordern. Dazwischen immer wilde Übernachtungsplätze mit Lagerfeuer am Ufer. Die Versorgung wird uns leicht gemacht: Die Restaurants sind noch ausreichend vorhanden und für uns seeehr günstig.
(C) Klemens Binninger
Was die Freude deutlich trübt, ist der unglaublich viele Müll am Ufer. Eine gut funktionierende Müllentsorgung gibt es noch nicht. Gefühlt jedes Dorf kippt seinen Müll in den Fluss, das nächste Hochwasser verteilt ihn großzügig flussab.
Ab dem 4. Tag ändert sich der Charakter. Die Berge treten zurück, der Fluss verzweigt sich im breiten Flussbett in unzählige Arme. Kräftige Gewitter haben ihn braun eingefärbt und anschwellen lassen.
Bei einer Rast versperrt uns ein Hütehund den Rückzug zu unseren Booten, was unsere Pause ungewollt in die Länge zieht. Aber außer dem Fluss sind es die kleinen Begegnungen mit den Einheimischen, die uns verzaubern. Nicht aufdringlich aber stets freundlich und hilfsbereit.
Trinkwasser und Einkaufsmöglichkeiten sind im Unterlauf dünner gesät. Hungern müssen wir trotzdem nicht, die Laune bleibt gut.
Nach 160 km erreichen wir kenterfrei die letzte Brücke vor der Mündung. Ein Taxi bringt uns zu den Autos am Zoll zurück. Inzwischen haben wir die gültige grüne Versicherungskarte per Mail erhalten und so tingeln wir noch eine Woche durch das Land. Warme Thermen, atemberaubende Schluchten, marode Erdölfördertürme, einfachste ärmliche Plattenbauten, viele alte Mercedes Limousinen, Schildkröten und Ziegen, die ohne auf den Verkehr zu achten, über die Straße latschen und ein fast mitteleuropäisch aufblühender Strand zeigen die Gegensätze auf. Ob zur Nachahmung empfohlen muss jede(r) für sich entscheiden.
Klemens